Weißig im Web: Schulbildung grauer Vorzeit

Schulbildung in grauer Vorzeit

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Schon Martin Luther hatte Bildung für „das einfache Volk“ gefordert, damit jeder Gläubige die Bibel selbst lesen könne. Er war aber nicht der erste, der diesen Gedanken hegte. Philipp Melanchthon war der Ansicht, „nur wer die biblischen Sprachen beherrscht, ist befähigt, die Bibel richtig zu verstehen und somit ein freier Christ zu sein“.

Sinnbild des Lehrers nach Wilhelm Busch
streng, dogmatisch, weltfremd

Ohne die Kirche gab es in Deutschland keine Bildung. Sie war die Trägerin zahlreicher Dom-, Stifts- und Klosterschulen. Schon seit dem frühen Mittelalter wurde in diesen Schulen der Nachwuchs für den Klerus unterrichtet, aber nur in Latein, auf der Grundlage der Bibel. Durch die Reformation und der im Anschluss daran erlassenen Kirchen- und Schulordnung von 1580 wurden nach und nach flächendeckend in ganz Sachsen Volksschulen eingerichtet. Somit hatte das niedere Schulwesen seinen Ursprung in der engen Verbindung zur Kirche. Daher waren auch die hauptsächlich unterrichteten Fächer der Katechismus, Lesen und Singen.

1773 erging eine erneute Schulordnung, die aber in ihrer Umsetzung vielerorts wenig Beachtung fand. Erst die Regelungen des Volksschulgesetzes von 1835 kamen fast überall zur Anwendung. Die Schulordnung enthielt einen wenig detaillierten Wochenstundenplan und zusätzliche Informationen zum Relegionsunterricht. Es wurden auch teilweise „realistische“ Unterrichtsgegenstände (Erdbeschreibung, weltliche Geschichte, besonders des Vaterlandes, wirtschaftliche und handwerkliche Kenntnisse, Rechtskunde u.ä.) eingeführt. So wurde dem Vorwurf, daß die Schule zu einseitig auf die Kirche ausgerichtet sei, entgegengewirkt.

Die Ortsschulaufsicht übten nach wie vor die Pfarrer aus. Dazu hatten sie mindestens zu Ostern und zu Michaelis Schulprüfungen durchzuführen. Auch bei der Anstellung von Lehrern musste die Meinung des Pfarrers eingeholt werden. Jedoch war 1835 schon mit der Einrichtung der Schulgemeinde und entsprechenden Schulvorständen ein kleiner Schritt in Richtung Verstaatlichung der Schule getan worden.

Ab jetzt bestand, zumindest theoretisch, für alle Kinder von 5 bis 14 Jahren, auch für Mädchen, die Pflicht, in die Schule zu gehen. Eine Ausnahme bildeten dabei die Orte ohne Schule. Dort durften die Kinder auch erst mit 6 Jahren die Schule besuchen. Aber, und darin bestand vor allem die Neuerung, die Schulpflicht wurde auf alle Orte ausgedehnt. Eltern, die ihre Kinder, z.B. während der Erntemonate, nicht zur Schule schickten, mussten eine Strafe von 60 Groschen bezahlen. Es wurde aber die Möglichkeit eingeräumt, dass für besonders arme Eltern das Schulgeld von einem Gönner oder der Kirche bezahlt wurde.

Kinder im Alter von 14 Jahren erhielten nach bestandener Schulprüfung die Konfirmation. Erst danach waren die jungen Erwachsenen zum Abendmahl zugelassen und nicht mehr schulpflichtig. Hierin zeigt sich deutlich, wie eng verschlungen Kirche und Schule waren. Auch die Gerichtsherrschaft, meist die Großgrundbesitzer, hatten wesentlichen Einfluß auf die schulischen Angelegenheiten. So wendet sich beispielsweise der Weißiger Rittergutsbesitzer Georg Christian Ludwig von Zehmen am 27. März 1839 in einem Schreiben an den Pfarrer Fuhrmann, um die Konfirmation und damit die Aufhebung der Schulpflicht von zwei erst 13-jährigen Mädchen, die Töchter des Gärtners George Tritschke und des Gärtners Zschuppang, zu verhindern.

Anforderungen an die Lehrer

An die Lehrer wurden konkrete Anforderungen formuliert, die neben der fachlichen Kompetenz bezüglich der Unterrichtsfächer und im Umgang mit Kindern auch den Lebenswandel im Auge hatten. Um die „Sittlichkeit“ der Lehrer zu gewährleisten, konnte ein Disziplinarverfahren „gegen unwürdige, nachlässige und untüchtige Lehrer“ eingeleitet werden, welches bis zur Entlassung aus dem Schuldienst führte. Deutlich wurde nochmals die „Visitation“, die durch den Pfarrer wöchentlich, und durch den Superintendenten jährlich durchzuführen waren, angeordnet. Hierbei sollte besonders auf die Bibeltreue und die Unterrichtsqualität, die der Lehrer an den Tag legt, geachtet werden.

Der Pfarrer hatte also nicht nur die Befugnis, sondern auch die Pflicht, den Lehrer in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und zu ermahnen. Außerdem durfte der Lehrer ab sofort keinerlei Nebenbeschäftigung mehr nachgehen. Oft war es üblich, dass die Lehrer auf Grund des geringen Einkommens gezwungen waren, nebenher z.B. einen handwerklichen Beruf, meist in der Schulstube, auszuüben. Schließlich wurde auch ein separater Unterrichtsraum gefordert, aber kaum durchgesetzt.

Die Lehrer mussten sich Wissen und Fertigkeiten mühevoll im Selbststudium erarbeiten, sofern sie nicht vor ihrem Schuldienst eine besondere Vorbildung an einer Universität oder einem Seminar, beispielsweise in Löbau, genossen hatten. Forderungen nach einer Weiterbildung gab es erst ab 1845. Finanziert wurde die Schule durch die Schulgemeinde, worunter die Kommune und die Kirchgemeinde zu verstehen ist. Zum Zwecke der Finanzierung war eine Schulkasse anzulegen, die sämtliche Einnahmen aus dem Kirchenlehn, Schulstiftungen, Schulgeldern, Strafgeldern und anderen Einkünften zu sammeln hatte.

Die erste Dorfschule in Weißig

1923 war es dann in Weißig soweit. Auf Grund der oben erwähnten „großherzigen Geste“ des Rittergutsbesitzers Georg Christian Ludwig von Zehmen war die, wenn auch geringe, Besoldung eines Lehrers gesichert. Das kleine, strohgedeckte Fachwerkhaus unterhalb der Dorftümpel wurde vom Rittergut zur Verfügung gestellt und zur Schule erklärt. Der Lehrer und Schneider Johann Christian Neumann zog dort ein und begann mit dem Unterricht.

Sein Bericht an den Schulvorstand, den Pfarrer der Parochie Oßling, bringt deutlich die damaligen schulischen Verhältnisse und seine eigene Situation zum Ausdruck:

Auskunft über die Schul-Anstalt zu Weißig in der Parochie Oßling

Johann Christian Neumann geboren zu Oelsnig bey Drebkau in der Niederlausitz 1798 den 13. Decbr, mein in Cunnersdorf bey Altdöbern lebender Vater ließ mich dem dortigen Dorf Schullehrer in den ernsten Wissenschaftlichen Begriffen unterrichten.

Danach ich zwey Jahre zu meinem jetzigen Stande mich vorbereitete, durch den Unterricht des damaligen Herrn Rectoris und Lautoris der Stadt und Bürgerschule; weil ich aber wegen Mangel an Unterstützung hier nicht länger bleiben konnte, so erlernte ich nebenbey die Schneider Profeßion, aber die Liebe zu der Schule suchte ich stets zu erhalten, und benutzte jede Gelegenheit wo ich meine Erkenntnis erweitern konnte, und so hatte ich auch sehr bald eine gefunden, wo ich bey der langen Krankheit des Dorf Schullehrers in Pritzen, als Schulgehülfe über ein Jahr, dem schwächlich und kranken Lehrer in seinem Lehramte beistehen konnte.

Dann kam ich nach Oßling wo ich theils das Erwerbe meines Geschäftes betrieb, aber auch meine müßigen Stunden damit ausfüllte, daß ich den Schul Unterricht bey den Schullehrer Th. Rytscher öfters mit beywohnete und endlich auch von demselben mir Unterricht geben ließ, in der Schulischen Lautir Metode.

Als endlich im Jahre 1823 durch den Rittmeister von Zehmen hier eine kleine elementar Dorf Schule errichtet wurde, welche man theils durch die Gnade der Herrschaft, theils durch die Unterstützung der Commun begründete, meldete ich mich zu dieser Stelle, wurde durch den H. Pastor Fuhrmann deshalb geprüfet, erhielt von H. Rittmeister eine von dem H. Pfarrer verfertigte Votion und Instruction, und wurde durch denselben von den Lokal Gerichten in diese Stelle eingewiesen. Das Häußgen was ich bewohne liegt mitten im Dorfe, und ist von der Orts Herrschaft schon vor längerer Zeit erbaut worden, die nötigen Reparaturen werden größtentheils von der Ortsherrschaft bestritten, mit Beyhülfe der Commun.

Zur hiesigen Schule ist weiter keine Gemeine mehr geschlagen, und die Kinder der hierortigen Bewohner, welche fast alle der wendischen Nation angehören, werden größtentheils in deutscher Sprache hier unterrichtet, bis zum 12. Lebensjahre, wo dann dieselben in die Kirch Schule nach Oßling gewiesen und abgegeben werden. Die gewöhnliche Anzahl der hier unterrichtsfähigen Kinder gehet selten über 20 bis 22 Subjecte, gewöhnlich in gleichen Theilen des Geschlechtes, müßen aber alle deutsch lesen und schreiben lernen.

Im Winter halbenjahre werden täglich fünf Stunden, von Pfingsten aber bis nach Michaeli, täglich nur zwey bis drey Stunden Unterricht gegeben, weil die Kinder alle zum Vieh Hüten gebraucht werden. Die Lectionen werden nach der K.S. Schulordnung gegeben, und ist alles nur eine Klasse, da es hier die ersten Unterrichtsfähigen betrifft, welche mit dem vollendeten 6. Lebensjahre in die Schule kommen und mit dem 12ten nach Oßling abgehen.

Der Unterricht selbst bestehet in Lautiren, Religion und Biblischer Geschichte, Lesen und Schreib Übungen, auch Kopfrechnen was sie alle lernen müßen. Die eingeführten Schulbücher sind das erste Übungsbuch für Leseschulen von Schulze, der große und kleine Katechismus von Schrader, Sprengels Schulfreund und Biblische Geschichte nach Hübner, der Bibel Katechismus von Brufungscher und die Bibel, welche größtentheils in allen Händen ist, auch das Seilersche Lesebuch, das Sechse Lyxina Kirchens Geschichte, deßen Leitfaden im Religions Unterricht für Unmündige.

Zum selbst Unterricht wird der größere Schrader, und Gemperts Schulfreund benutzt. Einen pädagogischen Lesezirkel giebt es hier nicht, nur eine Tafel und vier Bänke, welche in den Verzeichnüße des vorratigen Inventarie mit aufgenommen stehen, was an der Wand und unter Glas und Rähmen, aufgehangen befindlich ist.

Aus der Schulcaße, welche durch zwey jährlich eingesammelte Hauscolecten zusammen gebracht wird, jährlich ungefehr 3 Taler, dafür werden Schulbücher, Schreibmaterialien angeschafft und auch wird es zur Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder angewendet, wozu die Ortsherrschaft das Meiste beyträgt. Legate und Stiftungen giebt es nicht. Die Schulversäumniße werden halbjährig an den Pfarrer und den Ort Richter als Schulvorstand und Schulgeld Cassierer, eingereicht und Säumige werden mit jeder Woche a 6 Pfg. bestraft, zum Besten der Schulcasse.

Die Schulstube von welcher die Beylage eine Zeichnung enthält, faßet 30 Kinder, sie ist zwar hell, freilich nicht ohne Tadel. Außer der Schulstube ist keine Wohnung mehr vorhanden, und das Ganze bedarf einer Erweiterung und Verbesserung. Das Einkommen des Dienstes besteht jährlich in 18 Thlr. Schulgeld, 1 Scheffel 1 Metz dazu Korn, ebensoviel Heidekorn, 1 Thlr. ungefährer Wert des Flachses und des Krautes, 2 Klafter Holz a 1 Thaler 8 Groschen, 3 Acker zu Kartoffeln und 1 Klein Wieschen, das wäre höchstens 30 Gr. anzuschlagen.

Nebenbey verwaltet der Schullehrer das Leng Zoll Amt und leistet in den Stunden nach der Schule Profession, welche mehr Land und Erwerb giebet als der Schuldienst, da wegen der Armuth der Ortsbewohner die Einkünfte sehr zurück bleiben.

Ältestes Schulgebäude.
Hier unterichtete der Schneider
Johann Christoph Neumann die Weißiger Kinder

Im Jahre 1824 bereiste, wahrscheinlich erstmalig, Gottlob Leberecht Schulze, Kirchen- und Schulrat zu Budissin, unsere Gegend, um von Staats wegen das Schulwesen zu inspizieren und somit Vorarbeit für das 1835 erlassene sächsische Schulgesetz zu leisten. Die Beobachtungen dieses Schulrates zeigen den ganzen traurigen Tiefstand des damaligen herrschaftlichen Schulwesens und vor allem auch das bemitleidenswerte Los der Schulmeister dieser Zeit.

Gottlob Leberecht Schulze war an jenem Oktobertag des Jahres 1824 sicher nicht mehr in gerade rosiger Stimmung, als er sich von Weißig her über die steinernen Brücken dem Nachbarort Milstrich näherte. Die Herrschaft von Weißig hatte sein Ersuchen, bei der Revision der Weißiger Schule zugegen zu sein, kurzerhand dahin beantwortet, dass sie es ablehne, „bei derlei Schulparade zugegen zu sein, sondern vielmehr ihren weltlichen Geschäften nachgehen müsse“, und damit ihre Geringschätzung des Schulwesens deutlich genug ausgedrückt.

Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass im Juni 1844 Rittmeister Georg Christian von Zehmen der Schule ein unantastbares Stammvermögen von 66 Talern 24 Neugroschen 4 Pfennig schenkte, von dessen Zinsen das Schulgeld für notorisch arme Kinder verwendet werden sollte. Den Zeitpunkt der Auszahlung hatte sich der Herr Rittmeister selbst vorbehalten. Man kann sich vorstellen, dass von den im Jahre 1840 genannten 30 Kindern aus Weißig und einem Kind aus Otterschütz eine nicht geringe Zahl notorisch arm war.

Gemeinderat und Schulvorstand

Mit der erstmaligen Wahl eines Gemeinderates in Weißig am 6. Juni 1839 wurde auch ein Schulvorstand gewählt. Bisher oblagen alle schulischen Angelegenheiten nur dem Oßlinger Pfarrer. Der neugewählte Schulvorstand hatte in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer alle Belange der Schule zu lösen, beispielsweise die Führung der Schulkasse, die Einweisung neuer Lehrer, deren Beurteilung sowie Schlichtung bei Streitigkeiten mit den Eltern. Die Amtszeit währte vier Jahre. Zum ersten Schulvorstand wurden gewählt:

  • der Schänkengutsbesitzer und Gemeindevorstand (Bürgermeister) Johann Christian Holzmüller sowie
  • die Ausschussperson (Gemeinderatsmitglied), der Häusler Georg Schmidt.

Gleichzeitig wurde festgelegt, die Schulkasse mit folgenden Maßnahmen zu füllen:

  • 2 bis 5 Neugroschen bei Besitzveränderungen, Musikabenden, Kindtaufen und Hochzeiten.

Der Gemeinderat versuchte mehr und mehr, seinen Einfluß gegenüber dem Pfarrer zu erweitern. In einem Beschluß vom 13. November 1858 wurde festgelegt, entgegen dem Willen von „Localschulinspector Pastor Immisch“ und aber mit Unterstützung „hoher Ministerialverordnung“, einen ständigen „Lehrer deutscher Nationalität“ nach Weißig zu berufen.

Dieser „staatliche Vorstoß“ hatte auch Erfolg. Ostern 1859 trat Karl Ernst Lehmann seinen Dienst an. Bis dahin war vermutlich Johann Christoph Neumann, damals schon 60-jährig, der Weißiger Lehrer. Ihm zur Seite stand der Hilfslehrer Johann Räck. Aber am 9. März 1885 weist der Bezirksschulinspektor an, dass die Kinder wendisch lernen sollen, das sei „für eine fruchtbringende Behandlung des Elementarunterrichts wendischer Kinder erforderlich.“

Die Lehrer wechselten sehr häufig. Meist als Hilfslehrer oder Schulamtskandidat eingestellt, gingen sie schon nach kurzer Zeit an eine andere Schule, ehe sie eine Festanstellung erreichten. Allein von 1823 bis 1900 waren 13 Lehrer nacheinander in Weißig tätig (siehe Anhang: Lehrer in Weißig).

Die Qualität des Unterrichts hing nicht nur vom vorgeschriebenen Stoff und den vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Lehrmitteln, sondern auch von der Persönlichkeit des Lehrers ab. Bleibenden Eindruck vermittelte Karl Kirchner, der Verfasser des Weißiger Heimatliedes, der ab 1897 seinen Dienst in Weißig verrichtete. 1903 wurde er an die Stadtschule Dresden-Dölzschen berufen und übernahm dort nach wenigen Jahren die Funktion des Schulleiters.

Wenig Resonanz für seine Lehrmethoden erweckte August Moritz Arthur Richter, der nur knapp 3 Monate im Amt war. In einer Beurteilung des Pfarrers wird er als „schüchtern, ruhig, einschläfernd“ bezeichnet.

Drastische Erziehungsmethoden

Von 1864 bis 1945 diente dieses Gebäude
als einklassige Schule und Lehrerwohnung

Um so bleibendere Eindrücke hinterließ Lehrer Reinhard Fischer. Es war zur damaligen Zeit völlig normal, dass die Kinder bei geringen Verstößen oder bei Unzufriedenheit des Lehrers körperliche Züchtigung ertragen mussten, der Rohrstock war das „Handwerkszeug“ des Lehrers. Aber Fischer hat es drastisch überzogen. Davon zeugt ein Schreiben des Ortsschulinspektors Pfarrer Walther vom 14. Januar 1906 an den Kreisschulinspektor:

„Der Stellmachermeister und Ortsrichter in Weißig, Georg Schmidt, beschwert sich im Namen seines Sohnes Max Schmidt, unter Vorlegung eines ärztlichen Zeugnisses, über die Behandlung, welches seinem Enkelsohn Ernst Schmidt seitens des Herrn Lehrer Fischer widerfahren sei. Das Kind sei nicht böswillig und ungezogen, aber im Lernen schwach und vergesslich; trotz täglichem häuslichen Fleißes vergesse es das Gelernte bald wieder.

Schon früher habe der 6-jährige Knabe, welcher wegen eines Ohrenleidens in ärztlicher Behandlung in Dresden gewesen ist, starke Ohrfeigen bekommen, so daß die Angehörigen dem Lehrer sagen ließen, er möge das Kind nicht an die Ohren schlagen; viele mal sei es nach Hause gekommen und habe über empfangene Schläge auf die Hände und aufs Gesäß geklagt, auch andren Kindern gehe es so und die Eltern seien sehr ungehalten.

Nun aber habe der Knabe am Sonnabend in der Rechenstunde so barbarische Prügel bekommen, daß er heute noch nicht sitzen könne; als er sich am Sonnabend setzen sollte, habe er geweint, worauf die Angehörigen sich von den Spuren der Schläge überzeugten; sie fuhren zum Arzt nach Kamenz, welcher nach geschehener Besichtigung ein Zeugnis ausstellte.

Der Großvater des Kindes verlangt nun im Namen seines Sohnes, daß der Lehrer für die ungerechtfertigte und übertriebene Mißhandlung des Ernst Schmidt zur Rechenschaft gezogen werde und daß ihm behördlich untersagt werde, in dieser weder berechtigten noch Früchte tragenden Weise seines Amtes zu walten. Wenn die Angehörigen der Kinder mit dem schulbehördlichen Auftrag der Kirche zufrieden sein können, und Herr Fischer zur Deckung aller durch sein Verhalten entstandenen Kosten sich verpflichtet, soll von gerichtlichen Schritten abgesehen werden“.

Fischer verpflichtete sich wenige Tage später schriftlich, „alle durch obigen Fall für Herrn Schmidt entstandenen Kosten zu tragen“, und prügelte weiter, natürlich nur im behördlich genehmigten Rahmen.

Kluft zwischen Lehrer und Eltern

Oft war der Pfarrer nicht nur für geistliche Dinge zuständig, sondern musste auch als Schlichter für ganz weltliche, manchmal auch kleinliche Angelegenheiten fungieren. Lehrer Robert Krause beklagt sich bei „Sr. Hochwürden, den Königlichen Oberschulinspektor“ über den Bürger Heinrich Natschack: „ ...

  1. Er hat gesagt, beim Pastor stünde ich schon lange nicht mehr gut angeschrieben
  2. Ich habe die Kinder mit argen Schimpfnamen, wie „sächsischer Hund“ usw. belegt
  3. Ich wäre nun doch blamiert, nachdem die Weiber bei mir gewesen
  4. Ja, wenn ich den Weibern gesagt hätte:“Hört ihr lieben Weiber, ich bin hitzig gewesen, es soll nicht mehr vorkommen“; das wäre was andres gewesen
  5. Wir brauchen überhaupt keinen so teuren Lehrer, für uns verrichtet es einer vom Seminar
  6. Er muß fort von hier, in der ganzen Umgegend mag ihn kein Mensch, der muß ins Erzgebirge
  7. Er hat sich beim Lehrer Michel aus Zschornau erkundigt, was er schreiben läßt. Der läßt i schreiben und ich Hut und soll gesagt haben, da würde ich nicht viel erreichen und müßte verrückt dabei werden. Nun verbreitet er: Ich lehre die Kinder falsch, das könnten sie nicht verstehen, sein Junge habe es zwar sehr gut gelernt, der sei aber auch sehr klug
  8. Wenn ich nur zu ihm kommen würde, da würde er mir es erst geben Außerdem noch Kleinigkeiten. Vorstehende Angaben sind durch Zeugen verbürgt. Er soll ferner gesagt haben: den werden wir schon rauskriegen. Weiter: Nun ich zum Pastor gegangen, fiele ich erst rein. Ferner: Jeden Monat bekäme ich 150 Mark. Da ich nichts verrauche, trüge ich jeden Monat 100 Mark zur Sparkasse.

Ich glaube, daß vorstehende Angaben hinreichen werden, meine Bitte zu rechtfertigen, mich vor diesem Manne zu schützen und mich in die Lage zu setzen, nie mehr sein Haus betreten zu dürfen. Daß der Förster und seine Frau von Anfang an ihre Hände im Spiel hatten, wissen wir jetzt auch.

Ehrerbietigst Krause, Lehrer “

Robert Krause aus Noes bei Rothenburg war vom April 1902 bis Oktober 1903 Lehrer in Weißig.

Privatunterricht im Herrenhaus

Während die 25 bis 30 Dorfkinder unter primitiven Bedingungen in der kleinen, dunklen Schulstube geringe Kenntnisse erwarben, bekamen die Kinder des Rittergutsbesitzers im alten und später im neuen Schloß Privatunterricht.

1856 bescheinigt der Zehmensche Privatlehrer G.A. Hönncher den Kindern Johanna (Tochter von Moritz von Zehmen aus erster Ehe), Horst und Thekla Fanny (Kinder von Moritz aus zweiter Ehe) sehr gute Noten in den Fächern Religion, Biblische Geschichte, Bibelerklärung, Deutsche Sprache, Rechnen, Weltgeschichte, Geographie, Physik, Naturgeschichte, Schönschreiben und Zeichnen, Lesen und Deklamieren, Latein, Klavierspiel und Gesang. Immerhin ein Bildungsumfang, wie man es sich nur in solchen Kreisen leisten konnte. Nach Abschluss der 8. Klasse wurden dann diese Kinder ins Internat und zum Gymnasium nach Bautzen geschickt.

Ein Hungerlohn für die Lehrer

Die Lehrer lebten am Existenzminimum, ständig war Schmalhans Küchenmeister, wovon u.a. das Lied vom „Armen Dorfschulmeisterlein“ berichtet.

Aus dem Bericht von Johann Christian Neumann wissen wir, dass das Jahreseinkommen einschließlich Naturalien an so einer Winkelschule wie in Weißig oder Milstrich etwa 50 Taler betrug, während der Oßlinger Kirchschullehrer zu dieser Zeit schon etwa 200 Taler erhielt. Die Lage verschlechterte sich weiterhin dadurch, dass sie ihr Geld teilweise nicht durch die Schulkasse bekamen, sondern es bei den Bauern selbst eintreiben mussten. Wer das Lesen und Schreiben erlernen wollte und sollte, musste täglich 2 Pfennige bezahlen, wer nur das Lesen lernte, täglich einen Pfennig. Religionsunterricht war wahrscheinlich gratis. Wer kein Geld hatte, bezahlte mit Naturalien: ein Säckchen Heidegrütze oder gestampfte Hirse, oder ein Brot, oder ein Körbchen Kartoffeln.

Selbst die von der Gemeinde und vom Rittergutsbesitzer zugesagte Lieferung von Feuerholz für das Heizen der Schulstube (jährlich 2 Klafter Holz und 2 Schock Reißig) musste oft eingeklagt werden. Das hatte sich selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht grundsätzlich geändert, denn am 1. Oktober 1908 flattert dem Oßlinger Pfarrer folgender Brief ins Haus:

Sehr geehrter Herr Pastor!

Teile Ihnen hierdurch mit, daß ich heute die Schule habe ausfallen lassen, und das auch weiterhin tun werde, solange der Schulvorstand keine Neigung besitzen sollte, das Zimmer zu heizen. Es sind noch gar keine Kohlen beschafft worden, auch kein klares Holz; sehr traurig, aber wahr.

Sehr ergebenst Meyer, Lehrer

Man musste schon sehr großer Idealist und gehorsamer Obrigkeitsdiener sein, um unter o.g. Umständen ständig bemüht zu sein, den Kindern etwas Wissen zu vermitteln. Eine Anfrage an den Lehrer Neumann zur Beurteilung seiner Lage fiel folgendermaßen aus:

„An einen Wohllöblichen Wohlgeordneten Schulvorstand der Elementar Schule Weißig Da ein Wohllöbl. Schulvorstand nach Pflicht und rechtswegen des neuen Schulgesetzes vom 6. Juni dieses Jahres mir die Erlaubnis giebt, um mich schriftlich zu erklären, ob ich auch fernerhin mit meinem jetzigen geringen Schulgehalte zufrieden seyn würde oder nicht!
So bekenne ich ganz gehorsamst hiermit, daß ich vorderhand wegen Armuth hiesiger Ortsbewohner halben, nicht Ansprüche um Zulage machen will“ ...
„Mit vollkommener Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn Euer Wohlgeboren ganz ergebenster Diener

29. September 1835„

Gleichzeitig beklagt er aber, dass der „Heitzofen in der Schulstube repariert oder geändert werden müsse. Auch in der Stube an drei Fenstern sind die Rähmen gänzlich defect. So auch der befindliche Zaun an dem Schulhause befindet sich im baufälligen Zustande, wenn dieser, wenn es thunlich oder doch zum kommenden Frühjahr ausrepariert würde“.



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