Weißig im Web: Anfänge

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Nachweislich tritt Johann Christian Holzmüller im Jahre 1839 als "Schänkengut-
sbesitzer" in Erscheinung. Im Zusammenhang mit der ersten Gemeinderats-
wahl am 6. Juni 1839 wird er zum Gemeindevorstand (Bürgermeister) gewählt.
Dabei trägt er noch die Bezeichnung "Häusler", also aus der dritten sozialen
Schicht des Dorfes kommend.

Die ersten "Schänkengutsbesitzer"

Unklar ist, wie er als Häusler die Gaststättenpacht
einschließlich der Konzession bezahlen kann und
warum die Gemeinde, wie allgemein üblich, nicht
einen Bürgermeister aus der oberen Schicht ge-
wählt hat. Aber im Dorf ist eben manches anders.

Wahrscheinlich hatte er das Vertrauen der Einwohner und seine Wahl garan-
tierte einen kostengünstigen Versammlungsort. Vielleicht hatte er aber auch
den kleinen Gasthof günstig vom Rittergutsbesitzer gekauft, sonst wäre er
nicht im Protokoll als "Schänkengutsbesitzer" genannt worden. Holzmüller
wird aber, nach gesetzlicher Vorlage, bereits ein knappes Jahr später, am 30.
April 1840 durch einen anderen Gemeindevorstand ersetzt. Vermutlich bleibt
die Gaststätte aber weiterhin Versammlungsort der Gemeinde.

Überhaupt ist aus allen Protokollen abzuleiten, dass der Gasthof stets der
Mittelpunkt aller Veranstaltungen ist, ob Tanz, Konzert, Theateraufführung,
Gemeindevertretersitzungen und -versammlungen und ähnliches. Lediglich
das "Gemeindeamt" befindet sich in der Wohnung des jeweiligen Bürger-
meisters, nach dem II. Weltkrieg zeitweise im Schloss und danach, ab Januar
1948, im Verwaltungsgebäude des Rittergutes, heute manchmal "Kavaliers-
haus" genannt.

Die Obrigkeit greift ein

Die Bevölkerung ergreift von der Gaststätte mehr und mehr Besitz.Besonders zur Fastnacht geht es hoch her, was der
"Herrschaft" ein Dorn im Auge ist. Der Oßlinger Pfarrer Heinrich Immisch beklagt sich bei der Kreisdirektion zu Bautzen:

"Die Bevölkerung bezeichnet die Fastnachtswoche selbst als die wilde, während der Unmäßigkeit und Liederlichkeit herrschen.
Die Herrschaften klagen, daß in dieser Zeit mit den Leuten nichts anzufangen sei und daß das arme Vieh der gewissenlosesten
Vernachlässigung preisgegeben sei, da sich größtenteils seine Pfleger unter das Vieh erniedrigen. Der Aufwand ist enorm und
übersteigt bei den Dienstboten, die den eigentlichen Kern des Unfuges bilden, wenigstens ein Fünftel ihres Lohnes".

Deshalb schlägt Immisch der Kreisdirektion Bautzen vor, beschriebenen Fastnachtsunfug für alle Zeiten zu verbieten und
auch sonst Maßnahmen gegen übermäßiges Tanzen zu treffen. Die Kreisdirektion entspricht umgehend diesem Wunsch.

"Bei einer Konferenz der hochwohlgeborenen Herrschaften hiesiger Parochie auf der Pfarre zu Oßling kommt die Rede auf den
Luxus und anderen Unfug bei den Tanzvergnügungen hiesiger Bevölkerung, vorzüglich auf den Unfug zu Fastnachten, wo fast die
ganze Woche Tanzmusik gehalten wird. Um diesem Unwesen zu steuern und gleichmäßig demselben zu wehren, wird einstimmig
von den hochwohlgeborenen Herrschaften beschlossen, daß künftighin zu Fastnachten nur der Fastnachtsdienstag und Mittwoch,
nicht aber an einem anderen Tage in der Woche, auch nicht am Sonntage vorher, noch am Sonntage nachher, Erlaubnisse zu Tanz-
vergnügungen  zu geben sei. Nachdem dies fest beschlossen, behält man sich noch vor, noch andere Maßregeln zu bestimmen,
um auch den übrigen Tanzvergnügungen, die im Laufe des Jahres stattfinden, Maß und Ziel zu setzen.

LinkraumOßling, am 12. April 1853
gez. Friedrich Herrmann von Dammnitz,
gez. von Hartmann,
gez. Karl von Kanig,
gez. Moritz Oskar von Zehmen "

Das Tanzregulativ

Die Kommunen haben diesen Beschluss der "Hochwohlgeborenen Herrschaften" zu akzeptieren und in ein Tanzregulativ umzu-
setzen. Dazu wird zu jeder Tanzveranstaltung ein Vertreter der Gemeindeverwaltung zur Tanzaufsicht eingeteilt, der mit einem
Erkennungszeichen ausgestattet ist.

Neben diesen administrativen Maßnahmen greift die Gemeinde auch finanziell in den Geldbeutel des Gastwirtes und der Einwohner.
Eine willkommene Einnahmequelle, denn die Gemeindekasse ist immer klamm.

So beschließt der Gemeinderat am 13.November 1858 folgende Forderungen:
"... Von jedem Musikabende 5 Neugroschen, von jeder Kindtaufe ebenfalls und zwar mindestens 5 Ngr. gegeben werden, die Hälfte
fließt (...) zur Armen- und Schulkasse. Bezüglich der Erhebung einer Abgabe bei Vergnügen zu Kindtaufen und Hochzeiten sollte
jedoch bis auf weitere amtliche Anordnung abgesehen werden, da einestheils eine solche Abgabe dem Ausrichter einer Kindtaufe
und Hochzeit schwer fallen würde, andererseits jetzt kein Bedürfnis zur Erhebung der Einnahme vorliegt".

Die Abgaben sind im Laufe der Jahre mehrfach verändert und variiert worden und münden schließlich im Gemeindeprotokoll vom
29.Januar 1910 in Folgendem:

1.  Die zur Gemeindekasse fließenden Gebühren (§ 15 des Tanzregulativs  
     vom 15.Juli 1907) für Tanzaufsichtspflichtführung bei öffentlichen  
     Tanzvergnügen werden für Nachmittags bis Nachts 3 Uhr auf 2 Mark
     50 Pfg., für Nachmittags bis Nachts 12 Uhr auf 2 Mark und für den
     Abend bis Nachts 12 Uhr auf 1 Mark 50 Pfg. festgesetzt.
2.  Ist vom jeweiligen Gastwirt alljährlich eine Schankgewerbesteuer von
     10 Mark, welche der Gemeindekasse zufließen soll, zu entrichten und
     mit dem 1.Juli fällig.
3.  Zur Armenkasse 1Mark 50 Pfg., für jedes öffentliche Tanzvergnügen
     6 Mark, für jedes öffentliche (§ 1 Abs. 2 und 3) und jedes nicht unter
     Ziffer 4 fallende nicht öffentliche Tanzvergnügen bis 12 Uhr Nachts.
4.  Zwei Mark für jede weitere Stunde, um die eines der in Ziffer 1 und 2
     erwähnten Tanzvergnügen ausgedehnt werden soll .
5.  Zehn Mark für jede theatralische, gesangliche, humoristische,
     deklamatorische Vorträge und ähnliche Lustbarkeiten.
6.  Zehn Pfg. für jede andere Theatervorstellung

Scheibenschießen im Gasthof

Als nächster Gastwirt ist Herr G. Zinke zu nennen. Er inseriert 1857 in
der "Camenzer Wochenschrift" mehrmals ein "Prämienscheibenschießen
mit Tanzmusik im Weißiger Gasthofe".

Zwischenzeitlich, nämlich 1861, treten Inserate gleichen Inhalts von
einem Herrn Wünsche in dieser Zeitschrift auf. Man kann nur vermuten,
dass es sich dabei um einen Pächter des Gasthofes handelt, denn Besitzer ist nach wie vor
Herr Zinke.

Das geht aus einem Inserat in o.g. Zeitung vom 8.Mai 1862 hervor:

"Herr Zinke von Weißig beabsichtigt, sein in letzterem Ort gelegenes auszugs- und renten-
freies, mit den Realgerechtsamen des Schlachtens, Backens, Schänkens, Gastierens,
Beherbergens und der Krämerei, auf 6587 RM 20 Ngr. - gewürdigtes, zu 84,03 Steuereinheiten eingeschätztes und unlängst massiv
aufgebautes Gasthofsgrundstück,  mit einem Bestande von 8 Acker 16 ar aus freier Hand zu verkaufen, und hat dieserhalben mich,
den Unterzeichneten, beauftragt, nicht nur die Gebote der Kauflustigen entgegenzunehmen, sondern auch das Grundstück selbst
dem Bestbietenden zuzuschlagen.
Alle Diejenigen, welches obiges Besitzthum zu erwerben gesonnen sind, werden daher ersucht, mit mir in behufige Kaufsunter-
handlungen zu treten.

LinkraumC.F. Neubert   Auctionator und Geschäftsagent "  

Ob der Gastwirt Zinke alle genannten Gewerke -- Schlachten, Backen, Schänken, Gastieren, Beherbergen, Krämerei -- jemals
ausgeführt hat, ist nicht erwiesen. Jedenfalls hatte er die Genehmigung dafür und wird sie bei Bedarf und Gelegenheit auch aus-
geführt haben.
 
So könnte der Gasthof, nach einer alten Aufnahme von ca. 1908, bereits ausgesehen haben, nachdem er vor 1862 massiv erbaut
worden war. Über der Eingangstür befindet sich das Firmenschild "Gasthof Weißig". Markant die beiden Linden links und rechts der
Aufgangstreppe, sowie die Mauer, die den schmalen Vorgarten begrenzt. Die
Mauer besteht aus den gleichen Formsteinen wie die Schloßmauer. Die Steine
sind in der Ziegelei in der Otterschütz hergestellt worden und sind heute noch
mancherorts zu finden. Rechts vor der Treppe eine Futterkrippe für die Ge-
spanne.

Eine Kuh wird zu Melkas Fleischerei geführt. Geduldig stellt
sie sich dem Fotografen; was bleibt ihr auch anderes übrig

Traugott Schuppang kauft den Gasthof. Zu welcher Zeit, ist unklar. Verbürgt
ist nur, dass er bereits im Jahre 1888 als Gastwirt genannt wird. Auch im Jahre
1904 ist er als Gastwirt noch zu finden. Offensichtlich wird der Gasthof gut an-
genommen, nicht nur zum Biertrinken, vor allem aber für Vergnügungen und
Festlichkeiten, sofern man es sich bei dem kargen Lohn leisten kann.
 

Blick in die wie ein Wohnzimmer wirkende Gaststube von etwa 1920. Vorwiegend beherrschen
bärtige, zigarren-und pfeiferauchende Männer das Bild. Derzeit typische Ausrüstung ist das Billard

Erstmals wird 1928 im "Gasthof Schimank" eine öffentliche Fernsprechstelle eingerichtet. Die Gemeinde
übernimmt dafür die Einrichtungs- und Grundgebühren in Höhe von 6 RM monatlich, nimmt ihrerseits
aber wieder Schimank mit diesem Betrage in Anspruch. Es ist offensichtlich das einzige öffentliche Telefon
im Ort, denn erst im Oktober 1934 erhält Oßling ein neues Fernsprech- Selbstanschlussamt. Wahrscheinlich
war derzeit aber im Schloss schon ein Telefonanschluss vorhanden.

Inserat zum Neujahrstanz 1938

Vermutlich wird durch Rudolf Melka die Gaststätte in "Gasthof zur Einkehr"
umbenannt. Der Zeitpunkt ist bisher nicht bekannt. Er hatte im Jahr 1929
das Gebäude übernommen. Aber im vorstehenden Inserat vom Januar 1938
wirbt er noch unter dem alten Namen.  Neben dem Verkauf von Bier und
Spirituosen betreibt Melka auch eine eigene Fleischerei und im Gasthof einen
Fleischerladen, der gleich links neben der Eingangstür zu finden ist.

Der Gasthof bleibt gesellschaftlicher Mittelpunkt des Ortes. Ein Radfahr-
verein trainiert auf dem blanken Parkett des großen Tanzsaales. Im Vereins-
zimmer, das der Wirt kostenlos zur Verfügung stellt, probt der 1927 gegründete
Männergesangverein. Auf der Kegelbahn an der Südseite des Gebäudes wird so
manche Kugel geschoben, und an den Wochenenden erklingt fröhliche Tanzmusik aus den großen Saalfenstern. Bei solchen
Veranstaltungen versuchen die Kinder und Halbwüchsigen einen Blick in das Innere des Saales zu werfen.
Sie möchten auch gern von dem Vergnügen etwas erhaschen, werden aber oft von den Erwachsenen vertrieben.
Warum wohl? Sind Tanzvergnügen vielleicht nicht "jugendfrei"?

Es herrscht also frohes Treiben. In der geräumigen Gaststube sitzen die alten Herren und spielen Skat oder Doppel-
kopf. Dazu hat der Wirt extra unter der Tischplatte des Stammtisches kleine schwenkbare Behälter für das Spielgeld
anbringen lassen. Ab und zu nehmen die Spieler eine "Fuhre" (ein Bier, ein Korn, eine Zigarre) zu sich.

Wer keine Karten spielt, fungiert als "Kiebitz" oder kann sich am grün bespannten Billardtisch austoben. Für den
langen Heimweg wird noch ein "Pullchen" an der Theke bestellt. Der Umsatz stimmt.
    
Dieses Souvenier, ein "Pullchen" aus vergangenen Tagen, das heute kaum noch benutzt wird,
befindet sich noch im Besitz der Familie Appenheimer

In den Kriegsjahren nimmt der Gaststättenbetrieb stark ab. Die meisten Männer sind an der Front. Jeder hat mit
sich zu tun. Der Männergesangverein stellt am 30. Dezember 1943 seine Arbeit ein, da von 26 aktiven Sängern
nur noch 6 zur Verfügung stehen.

Umso größer ist die Erleichterung und Freude über das Ende des Krieges. Am Sonntag, dem 23.April 1945, nach-
dem die sowjetischen Truppen das Dorf wieder verlassen haben, so berichtet Ursel Appenheimer, versammeln sich
die Weißiger Einwohner im Gasthof. Für sie ist der Krieg zu Ende, und Rudolf Melka schenkt Freibier aus.
 
Während des II.Weltkrieges war die Hausschlachtung verboten worden, und nach dem Krieg ist das
Fleisch so knapp, dass in Melkas Fleischerladen nur leere Haken hängen. Das bleibt auch noch lange
nach Kriegsende so, da es an Allem mangelt. Ein im März 1946 gestellter Antrag auf Wiedereröffnung
der Fleischerei wird wegen fehlender Fleischversorgung abgelehnt.
 


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