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Wem gehört eigentlich der Steinbruch
Zunächst wurde das Verwaltungsgebäude
errichtet, bevor die anderen Einrichtungen
folgten
Beide Berge liegen auf Weißiger Territorium, ge-
hören eigentlich der Gemeinde. Wieso nimmt sich der Gutsbesitzer das Recht,
darüber verfügen zu können?
Er hatte das "Recht", nach seinem Verständnis. Schließlich hatte einer seiner
Vorfahren, Hanns Bastian von Zehmen, im Jahre 1723 das Rittergut Weißig
für 25.376 Taler 7 Groschen von Carl von Ponickau gekauft. Dazu gehörten,
nach damaligem "Recht", nicht nur das Rittergut samt Wiesen, Äckern,
Wäldern und Teichen auch die hier wohnenden Menschen, die Untertanen.
Und jeder, der in dieser Sippe des Gutsbesitzers geboren wurde, gehörte zur
"Herrschaft", die eigenmächtig schalten und walten konnte.
Suche nach Bodenschätzen
Bereits Moritz Oskar von Zehmen, der Vater von Horst, hatte versucht,
Bodenschätze zu erkunden und auszubeuten. Überall in der Umgebung
wurden die vorhandenen Bodenschätze intensiv aufgespürt und industriell
genutzt. Oftmals aber auch vergeblich oder mit geringem Erfolg.
Horst v. Zehmen schrieb 1913: "Bereits mein Vater hat vielfach Bohrungen nach Ton und Braunkohle unternommen. Dabei stellte
sich heraus, dass Tagebaue nirgends möglich waren. Ein Tiefbau misslang vollständig. Ein etwa 20 m tiefer, jetzt ersoffener
Tagebau nach Ton veranschaulichte die Verworfenheit des Terrains sehr deutlich. In den benachbarten Gruben in Zeissholz hat
sich gezeigt, dass nur einzelne schmale, lang erstreckte, fast auf dem Kopf stehende und tief lagernde Kohlenflöze in
dortiger Gegend vorhanden sind".
Mit Kohle war also nicht viel "Kohle" zu machen. Das hatte bereits sein Vater Moritz um 1864 in Johannisthal mit hohen Verlusten
versucht. Aber auch an anderer Stelle wurde Kohle gefunden und auch gefördert. Bereits 1859 gab es in Weißig – vermutlich auf
dem Gelände der Otterschütz – ein Kohlebergwerk.
Die "Kamenzer Wochenschrift" schreibt in ihrer Ausgabe vom 22.September 1859:
"Auf dem Braunkohlenwerke zu Weißig ist am 13. des Monats ein Teil des Ganges, welcher in die Braunkohle getrieben ist,
zusammengestürzt und dadurch der Bergarbeiter Tiebel aus Strassgräbchen gänzlich verschüttet und durch das gewaltige Wasser
jedenfalls sofort sein Tod herbeigeführt worden. Wie wir vernehmen, hinterlässt der Verunglückte 7 Kinder"
Suche nach einem Pächter
Horst von Zehmen kannte sich in der Residenzstadt Dresden gut aus. Schließlich war er jahrelang Königlich – Sächsischer
Hauptmann der Landwehr-Infanterie und Kompaniechef in Dresden und verkehrte in einflussreichen Kreisen. Ihm war bekannt,
dass der Siemens – Konzern in der Dresdner Sidonienstraße eine Niederlassung betrieb.
Siemens & Halske, eigentlich ein Elektrokonzern, versuchte auch auf anderen Gebieten Profit zu machen. Warum nicht mit einem
Steinbruch? Die Lausitz war schließlich voller Bodenschätze. Außer Ton, Lehm, Kohle und Sand gab es auch noch wertvolles
Gestein. Und das Angebot des Rittergutsbesitzers von Zehmen klang verlockend.
Vertragsvorbereitung
Das Angebot, das Zehmen dem Konzern unterbreitete, war wirklich sehr verheißungsvoll. Siemens & Halske witterte großen Gewinn.
Horst von Zehmen hatte schriftlich erklärt:
"Auf ca. 12 ha lagern Felsmassen mit ca. 40 m Erhebung über der Thalsohle. Die Anlage ermöglicht mindestens noch 20 Mtr. tiefer
mit Vorteil Steine gewinnen zu können; es sind verfügbar
12 ha = 120.000 qm x 60 = 7,2 Mio cbm
festes Gestein, welches mindestens 14 Millionen cbm Klarschlag repräsentiert.
Bei einer Abnutzung von 200.000 cbm jährlich würden demnach 140 Jahre zur Abnutzung der jetzt verpachteten Flächen gebraucht
werden ; so dann aber könnte der gegenüberliegende Bergrücken, welcher noch bei weitem mehr ebenfalls brauchbares Gestein
enthält, in Angriff in Angriff genommen werden. Eine Erschöpfung des vorhandenen Gesteinsmaterials ist demnach erst in
Jahrhunderten zu gewärtigen."
Welch eine kühne und durch nichts belegte Annahme, wie sich später noch herausstellen wird. Außerdem nahm Horst von Zehmen
in Kauf, dass der "gegenüberliegende Bergrücken", gemeint ist dabei der Windmühlenberg in unmittelbarer Nähe des Dorfes, und
vor allem seines Schlosses, dem Brecher zum Opfer fallen würde. Ob er das ernsthaft gewollt oder nur hoch gepokert hat? Oder
diente diese Einschätzung nur dem Ziel, die Fläche gewinnbringend zu vermarkten?
Gleiche Berechnung schickte er auch am 28. Februar 1907 an das Königliche Oberlandesgericht in Dresden, um neben guten
Ertragsdarstellungen von Wald – und Teichprodukten die Sicherheit für einen Bankkredit zu gewährleisten. Die Refinanzierung
wäre durch die Verpachtung des Steinbruchs garantiert. Diesen Bankkredit, den er auch in Höhe von 80.000,- RM bei 1% Zinsen
auf 40 Jahre erhielt, benötigte er zum Bau eines neuen Herrenhauses, des heutigen Schlosses. Die Begründung dazu folgte
postwendend.
Er schreibt weiter:
"Nach Lage der Sache glaube ich, dass nunmehr zweifelsohne die Zeit gekommen ist, das alte Herrenhaus durch ein neues, den
jetzigen, völlig veränderten Verhältnissen entsprechendes ersetzen zu sollen und sich dabei nicht mit dem Notwendigsten zu
begnügen, vielmehr ein Herrenhaus zu erbauen, welches den jetzigen, wertvollen Besitz – es wird in der ganzen Lausitz wenig
Güter geben, die ebenso hohe Erträge abwerfen – repräsentiert und bei seiner bevorzugten, die ganze Gegend weit und breit
beherrschenden Lage zu einer Zierde der näheren und weiteren Umgebung wird".
Der Steinbruch wird erschlossen
Der Konzern Siemens & Halske schloss den Pachtvertrag mit Horst von Zehmen auf 30 Jahre und firmierte unter dem Namen
"Hartstein – und Schotterwerke Weißig". Es wurde zunächst viel Geld in den Aufschluss des Steinbruchs gesteckt. Anderthalb
Millionen RM wurden investiert und verbaut.
unächst entstand ein Verwaltungsgebäude am nördlichen Hang des Doberberges, das später, und auch noch heute, nach
mehrfachen Umbauten als Wohnhaus genutzt wird. Maschinen und Anlagen, wie Brecher, Loks und Loren, mussten herangeschafft
werden. Dicht neben dem Verwaltungsgebäude entstand eine Schmiede, in der das Werkzeug geschärft wurde. Ein Pulverhaus war
etwas entfernt, am östlichen Fuß des Doberberges, in unmittelbarer Nähe des alten Sportplatzes an der Milstricher Straße, errichtet
worden. Und an der Zufahrtsstraße zum Steinbruch, dicht neben der Verladerampe, entstand ein Lokschuppen.
Die Verladerampe selbst, ein damals äußerst moderner Stahlbetonbau, der heute noch steht, bildete den technologischen Abschluss
des Steinbruchbetriebs. Von hier kippte man den Schotter, täglich etwa 300 bis 400 Tonnen, in bereitstehende Eisenbahnwaggons.
Drei bis vier Fahrten täglich waren nötig, um das Material nach Straßgräbchen zu bringen. Am unteren Ende der „Treebe“ (Treibe),
einem Feldweg vom Schimankschen Gehöft in südlicher Richtung, stand noch bis in die 1950er Jahre die Ruine eines
Wiegehäuschens, wo die beladenen Waggons gewogen wurden, bevor sie in Richtung Straßgräbchen abdampften.
Als Verwalter des Steinbruchs fungierte ein Herr Babel, der mit seiner Familie im Verwaltungsgebäude, aber lt. Aussage von Frau
Beckert auch zeitweise im Kaufhaus Boden wohnte.
Schotterbahn Weißig - Straßgräbchen
Für den Transport des Gesteins zum nächsten Bahnhof gab es schon gute Voraussetzungen. Bereits im Jahre 1882 hatte die
Skaskaer Kohlefabrik eine Eisenbahnstrecke von Skaska über Weißig nach Straßgräbchen geplant. Den Antrag, Gelände der
Gemeinde Weißig zu queren, hat der Weißiger Gemeinderat wohlwollend geprüft.
Im Sitzungsprotokoll vom 28. Januar 1882 heißt es dazu:
"Der Inhalt der heutigen Sitzung war der Beschluss über den Verkauf von Parzellen v. No 139 (Gemeindetrift) und No 665
(Gemeindewiese ) an die Skaskaer Kohlenwerke – Brikettfabrik zur Legung einer Eisenbahn über die Flur Weißig nach
Straßgräbchen. Als Vertreter der Gemeinde wurde Herr Matth. Jursch, Gemeindevorstand Weißig, gewählt."
Nach zweijähriger Bauzeit, im Frühjahr 1884, wurde die 9,7 km lange Kleinbahnstrecke von 600 mm Spur zum Transport von
Kohle eingeweiht. Zogen zunächst zwei kräftige Ackergäule die Kohlewagen, und brauchten dafür drei Stunden für eine Strecke,
so benutzte man ab Mai 1890 Dampflokomotiven, leichte zwei- und dreiachsige Tenderloks, als Zugmittel. Aber bereits 1904 ging
die Brikettfabrik in Konkurs. Die Eisenbahnstrecke wurde schon seit 1902 nicht mehr benutzt. Das kam den Steinbruchbetreibern
sehr gelegen, konnte man doch das vorhandene Schotterbett für die eigenen Zwecke nutzen.
Wurden für die Skaskaer Kohlenbahn in der letzten Zeit noch Rollböcke verwendet, um das umständliche Umladen zu verhindern,
entschied sich der Steinbruch zum Bau einer Normalstrecke von 1435 mm Spur. Da bestimmte Arbeiten beim Trassenbau, außer
Verstärkung und Verbreiterung des Oberbaus, nicht mehr nötig waren, wurde schon im Jahre 1904 die neue Bahnstrecke eröffnet.
Dadurch konnten die Maschinen, die für den Steinbruch benötigt wurden, sowie andere Techniken mit der Bahn zum Betriebsort
transportiert werden. Die Strecke hatte eine Länge von 6,2 km und wurde auch vom Rittergutsbesitzer Horst von Zehmen zum
Transport von Holz und von Fischen zum Bahnhof nach Straßgräbchen benutzt.
Es gab heftige Proteste von Feld- und Waldbesitzern, die um die Sicherheit ihres Zugviehs und der Waldbestände bangten. Bei
der Bevölkerung von Straßgräbchen stand die Doberbergbahn / Schotterbahn in keinem guten Ruf, da die Trassierung wieder
durch die Ortschaft ging, wie einst die Bahn von Skaska. Seitens der Bahn mussten bei der Fahrt durch die Ortschaft bestimmte
Sicherheitsregeln eingehalten werden. Jedem Zug ging ein Mann, mit einer Glocke läutend, voran.
Dampflok der Schotterbahn Weißig - Straßgräbchen.
Am oberen Bildrand sind die Loren mit dem Schotter, auf der Verladerampe stehend, zu erkennen.
Wie gefährlich Dampflokomotiven sein konnten, zeigte das Ereignis vom 7. August 1908. "Durch
Funkenflug einer Dampflok aus dem Steinbruch Weißig kam es an diesem Tag gegen 15.00 Uhr zu einem
Waldbrand. Ein dem Forstmeister von Zehmen gehörender ca. 600 qm großer Kiefer- und Fichtenbestand
ging in Flammen auf".
Im Mai 1909 kam es erneut zur Vernichtung von 2 Ar eines 15-jährigen Kieferbestandes durch Funkenflug.
Arbeitsbedingungen im Steinbruch
Zeitweise waren bis zu 400 Arbeiter im Steinbruch beschäftigt. Die verschiedensten Gewerke wurden benötigt: Schmiede, Schlosser,
Sprengmeister, Zimmerleute, Maurer, Gleisarbeiter, Lokführer, Vorarbeiter. Und vor allem Steinarbeiter für die niedrigsten und
schwersten Tätigkeiten. Die Arbeit bei Wind und Wetter, bei Sommer und Winter war äußerst hart und gefährlich. Bei täglich
10- bis 12-stündiger Arbeitszeit lag die Entlohnung je nach Leistung bei 3 bis 5 RM und reichte kaum zur Ernährung der Familien.
Arbeitsgeräte und Werkzeuge standen zur Verfügung. Für Arbeitskleidung und festes Schuhwerk musste jeder selbst sorgen. Gefahren
drohten stets durch die Sprengungen, durch herabstürzende Felswände, herumfliegende Gesteinsbrocken und vor allem durch den
Gesteinsstaub, der überall in der Luft hing. Man kannte keinen oder nur geringen Arbeitsschutz. Einzige Ausnahme bildeten
Schutzbrillen und Mundschutz aus Gaze. Die Folgen der gesundheitsschädigenden Arbeit waren Staublunge, Tuberkulose, Arthrose u.a.
Auch Unfälle waren an der Tagesordnung. Davon ist folgendes dokumentiert:
"Am 13. Februar 1913 ereignete sich im Steinbruch ein schwerer Unfall. Einem aus Milstrich stammenden Arbeiter, der als Bremser
bei der Werkbahn tätig war, wurde bei Rangierfahrten durch eine Werklok der linke Fuß erfasst und total zertrümmert."
Wie Hohn muss es in den Ohren der Arbeiter geklungen haben, wenn angesichts des Dröhnen des Schotters an der Verladerampe
die Söhne des Schlossherrn zum Vater sagten: "Hörst du, wie das Geld rollt"?
Wer nicht in Weißig oder in der Nähe wohnte, hatte vor und nach der Schicht noch einen weiten Weg, meist zu Fuß, zurückzulegen.
Versorgung der Arbeiter
An der Zufahrtsstraße zum Steinbruch eröffnete Heinrich Boden im Jahre 1906, also kurz nach Beginn der Steinbrucharbeiten, einen
Laden, das "Kaufhaus Boden" zur Versorgung der Arbeiter. Zum Verkauf standen Schnitten, Tabak, Zigarren, Flaschenbier und
Brennspiritus. Auch Waren des täglichen Bedarf – Nahrungsmittel, Haushaltswaren und Arbeitsbekleidung – konnte man dort erwerben.
Dieser Laden war sicherlich sehr lukrativ, denn die Steinbrucharbeiter wollten versorgt sein und nach der Schicht musste natürlich
erst der Staub und auch mancher Frust heruntergespült werden. Eine kleine Kantine, mit weitaus geringerem Angebot, existierte
auch in der Barackenunterkunft, in der die meisten Arbeiter wohnten. Es gab zwar noch in Dorfmitte einen kleinen Laden mit
ähnlichem Angebot wie im „Kaufhaus Boden“, betrieben seit 1894 durch Johann Koreng. Aber der Weg dahin wird den meisten
wohl zu weit gewesen sein.
Kaufhaus Boden in seiner Blütezeit. Deutlich erkennbar an der Nordseite des Hauses
die Treppe und der Zugang zum Verkaufsraum
Den Laden von Heinrich Boden übernahm 1929 Heinrich Schütze und erweiterte das Angebot auf
Lebensmittel, Kolonial- und Kurzwaren. Nach der Stillegung des Steinbruchs wurde der Verkauf im
"Kaufhaus Boden" mangels Kundschaft im Jahre 1938 eingestellt. Die Arbeiter waren entlassen,
und das Kaufhaus lag zu weit entfernt vom Dorf. Das Gebäude wurde Wohnhaus.