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Die Schüler der Klassen 1 bis 4
im Frühjahr 1948 auf der Schlosswiese.
links im Bild Frau Pieper, rechts Frau Bochnig
Im Widerspruch dazu steht ein Protokoll vom
3. April 1948 zwischen dem Bürgermeister Pötschke
(Weißig), dem Bürgermeister Renner (Oßling) und
den Schulausschussvorsitzenden Jannaschk und
Noack (Lieske):
"Dem Antrag der Gemeinde Lieske, wieder dem Schulbezirk Oßling ange-
schlossen zu werden, wird stattgegeben, da die Gemeinde bei der Errichtung
der Schule Oßling in starkem Maße finanziell beteiligt war. Bei dem notwen-
digen Neubau einer Schule in Weißig würde die Gemeinde Lieske erneut zu
erheblichen finanziellen Opfern herangezogen werden".
"Die Schule zu Weißig wird zwar zunächst 3-klassig und ist vorübergehend im
Schloss untergebracht. Wie lange dieser Zustand dauert, lässt sich nicht vor-
aussehen. Die Gemeinde Weißig hat sich deshalb eingehend mit dem Ge-
danken getragen, ein den modernen Anforderungen gerecht werdendes
Schulgebäude durch Umbau zu errichten. Wegen der Finanzierung dieses
Bauvorhabens soll ein Gesuch beim Ministerium um Gewährung einer Beihilfe
eingereicht werden."
Dieses Vorhaben wurde nicht verwirklicht.
Zum einen sollten dafür die Rittergutsscheunen abgerissen und das gewonnene
Baumaterial für den Schulneubau verwendet werden. Das stieß aber auf hef-
tigen Widerstand, denn die Gebäude wurden sowohl für die Landwirtschaft, als
auch für die Fischwirtschaft dringend gebraucht. Außerdem wären die Feldsteine, aus denen die Scheunen vorwiegend bestehen,
für einen Neubau völlig ungeeignet gewesen. Zum anderen stand das Wichtigste, das Geld, nicht zur Verfügung.
Im Schloss wurde ein drittes Klassenzimmer eingerichtet, denn immerhin gab es derzeit 65 Schüler (30 Mädchen und 35 Jungen)
aller Altersstufen. Das Gemeindeamt räumte dafür seinen Platz im Schloss und zog im Januar 1948 in das Verwaltungsgebäude
des Rittergutes, heute „Kavaliershaus“ genannt. So blieben also die Liesker Kinder in Weißig, da auch die Oßlinger Schule keine
weiteren Schüler aufnehmen konnte. Im Schulhaus von Oßling war noch der Kindergarten untergebracht und wartete auf eine
zweckmäßige Baracke.
Die Situation verschärfte sich noch dadurch, dass 1949 das Kinderheim im Schloss eingerichtet wurde. Zunächst waren es etwa
nur 15 bis 20 Kinder, später wuchs die Zahl aber immens. Die jetzigen drei Klassenzimmer waren brechend voll. Man suchte
intensiv nach einer Lösung.
Schulspeisung
Die Landesverwaltung drängte trotz der angespannten Versorgungslage bereits 1946 darauf, den Schulkindern ein Essen in der
Schule zu ermöglichen. Im Kreis Kamenz beispielsweise gab es Ende 1946 6358 unterernährte Kinder. Orientiert wurde auf Ross-
schlächtereien, Freibankfleisch, Kartoffeln und Gemüse vom Bauern. Die Pulsnitzer Volksschule meldete, dass sie bereits Anfang
1946 durch die Volkssolidarität eine Schulspeisung eingeführt hat. Zweimal wöchentlich bekommen alle Kinder ein warmes Essen,
bestehend aus Fleisch, Kartoffel und Gemüse.
Auch in unserem Ort bemühte man sich darum. Offensichtlich hatte man auch eine Warmverpflegung ins Auge gefasst. Aber so
einfach ließ sich das nicht realisieren. Am 15. Mai 1950 stellt die Gemeindevertretung fest:
"Da noch Schwierigkeiten mit der Anlieferung eines Kessels bestehen, kann die Schulspeisung als Übergang kalt erfolgen. Die
Portion wird für das Kind 20 – 25 Rpf. kosten."
Wie die Kaltverpflegung und deren Organisation aussah, schildert Ernst Prescher:
"Die Bestimmungen besagten aber, dass nur Kinder, die nicht aus der Bauernwirtschaft stammten, daran teilnehmen durften. Mit
anderen Worten, Kinder von Bauern waren davon ausgeschlossen. Nun mag Schulspeisung örtlich sehr unterschiedlich gewesen
sein. An unserer Schule gab es Semmeln aus Brotteig mit Marmelade. Diese mussten täglich von einem Bäcker im Nachbarort
geholt werden. In der Schule wurden sie dann aufgeschnitten und mit Marmelade bestrichen. Wer nun glaubt, dass die Kinder,
die sie essen durften, sich auf den Weg zum Bäcker machten, hat sich gründlich getäuscht.
Semmeln holen, aufschneiden, mit Marmelade bestreichen, und sie auch noch austeilen, das mussten die Bauernkinder erledigen.
Ich war davon oft betroffen. Niemals wurde gefragt, wie der versäumte Unterrichsstoff nachgeholt werden konnte, oder ob wir
überhaupt Schuhe oder Holzpantoffel besitzen. Wir konnten es nicht verstehen, warum wir von der Schulspeisung ausgeschlossen
wurden.
Für uns war es eine Strafe, in den Nachbarort laufen zu müssen, dabei den Unterricht zu versäumen, und nicht einmal einen Dank
zu bekommen. Kein Lehrer verstand unser tägliches Verlangen, auch einmal in eine warme, sehr knusprige Semmel aus Brotteig
zu beißen. In den kleinen Bauernwirtschaften, wie in unserer, war der Tisch auch nicht reichlich gedeckt.
Eines Tages mussten, wie üblich, wieder drei Bauernkinder in den Nachbarort zum Bäcker laufen. Also nahmen wir uns einen
Handwagen, legten den Jutesack hinein und schlürften mit Holzpantoffeln an den Füßen nach Oßling. Wie immer umschmeichelte
uns der verlockende Duft frisch gebackenen Brotes und der Semmeln. Sollte auch diesmal wieder nur der Duft für unsere Mühen
übrig bleiben?
Auf dem Heimweg konnten wir unserem Verlangen nach einer frischen Semmel nicht mehr widerstehen. Wir zogen den Wagen
in den Wald, öffneten den Sack und banden ihn erst wieder zu, bis jeder von uns nichts mehr essen konnte. Ich glaube, keiner
von uns machte sich anschließend Gedanken darüber, was nun mit uns in der Schule passieren könnte. Nachdem die Semmeln
aufgeschnitten und mit Marmelade bestrichen waren, fiel beim Verteilen der Verlust auf. Wir mussten ein kräftiges Donnerwetter
über uns ergehen lassen. Von diesem Zeitpunkt an waren wir endlich davon befreit. Jetzt holten endlich die Schüler die Semmeln,
die sie entsprechend des Gesetzes auch essen durften."
Schulalltag
Außer den Brötchenholen und anderen Verrichtungen während der Unterrichtszeit, von denen noch zu berichten ist, gab es auch
durch fehlende Lehrkräfte genügend Ausfall. Allein 1946 meldet die Grundschule Weißig einen Ausfall von monatlich 50 Stunden
bei einem Bedarf von 119 Unterrichtsstunden. Dabei sind Fehlstunden für einzelne Schüler, die von den Lehrern toleriert oder
angewiesen wurden, gar nicht enthalten.
Helmut Schimank berichtet darüber:
"Bei Bochnig mussten wir Holz hacken oder nach Kamenz Einkaufen fahren mit dem Milchauto. Wenn das Auto losgefahren ist,
sind wir hinten draufgesprungen, der Fahrer hat uns bestimmt gesehen, aber nichts gesagt. Wir durften doch nicht auf den Milch-
kannen mitfahren. Wie er in Kamenz stehengeblieben ist, sind wir runtergesprungen. Dann für Bochnig einkaufen gehen. Auf
einem Zettel hat er alles aufgeschrieben, was wir bringen mussten. Und das ganze Schreibzeug, die Bücher und alles, das
mussten wir mit Rucksack, und auf dem Milchauto zurück, holen."
Zur Einschätzung von Lehrer Kroll, der neben Erdkunde auch das schwere und bei den Kindern ungeliebte Fach Russisch gab, sagt
Helmut Schimank:
"Kroll war ein prima Lehrer, aber es gab bei ihm auch Dresche. Das war so ein Naturfreund, und wir waren ja nicht die besten.
Unser Opa hat manchmal so bissel Wein gemacht, den hat Kroll nicht abgeschlagen, hat immer ein Glas mitgetrunken. Und dabei
haben sie sich so über die Landwirtschaft unterhalten. Da hat der Opa manchmal gefragt, wie wir Kinder so sind. Da hat Kroll
gesagt, ach naja, keine Professor werden sie nicht, aber ein Handwerk, das können sie lernen, das werden sie allemal. Das war
ein prima Lehrer. Bissel streng war er auch, aber ich will mal sagen, wenn wir mal einen Wunsch hatten, wir wollten mal wandern
gehen und so, haben wir an die Tafel geschrieben, wir möchten heute gerne mal wandern gehn und so. Und wenn er gute Laune
hatte, sind wir eben wandern gegangen, da haben wir gesungen draußen und so. Wir brauchten nicht angetreten gehen, wir waren
alle so um den Lehrer drumrum. Manchmal sind wir auch Baden gegangen, viel Baden gegangen am Altteich. Manchmal sind wir
auch nach Bernsdorf gegangen, alles gelaufen."
Frischer Wind im alten Schloss
Als der Neulehrer Helmut Ulbrich aus Kamenz 1949 nach Weißig kam und 1950 die Leitung der Schule übernahm, begannen sich
zunehmend Veränderungen abzuzeichnen. Er erkannte, dass die Schule nicht nur für Wissensvermittlung zuständig ist und eng
mit den Eltern zusammenarbeiten muss. Er führte den Tag der offenen Tür in der Schule ein, suchte den Kontakt zu den Eltern
und zum Gemeinderat.
Er baute ein Vertrauensverhältnis zu seinen Schülern auf, gründete an der Schule die Pionierfreundschaft und setzte sich an die
Spitze der Jugendorganisation. In Zusammenarbeit mit dem 1949 eröffneten Kinderheim sorgte er für damals nachhaltige
Erlebnisse. Wie mit dem Lastkraftwagen im Dezember 1950 zum Theaterbesuch in Dresden zu "Peterchens Mondfahrt" , ein
Kinderferienlager in Rathen im Sommer 1951 mit allen Schulkindern, Ausflüge in die Sächsische Schweiz oder ins Zittauer
Gebirge und vieles andere. Volle Unterstützung erhielten auch die Kinder und Jugendlichen für das Schaffen eines "Pionier-
zimmers" für eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
Helmut Ulbrich, Lehrer für Russisch und Geschichte,
lehrte zunächst in Gottschdorf und Kleindittmannsdorf und kam 1949 nach Weißig
Von bleibender Erinnerung sind auch die Schulfeste, die meist mit den Dorffesten verbunden waren.
Sie begannen ebenso wie der 1. Mai mit einem festlichen Umzug durchs Dorf, Gemeindevertreter und
Lehrer voran, und endeten dann auf dem Festplatz im Rittergut oder auf der Schlosswiese.
Ferienlager bei Frenzels in Oberrathen.
Bei strahlendem Sonnenschein mundete das Frühstück draußen am Besten
Erstmals verbrachten 1951 alle Kinder des Ortes und des Kinderheimes zwei Wochen frohe Ferien in
Rathen. Zwar entsprachen die Bedingungen keinem Interhotel- Standard, blieben aber für alle un-
vergesslich. Selbst die Eltern ließen es sich nicht nehmen, in der Halbzeit ihre Kinder zu besuchen.
Helmut Ulbrich hatte den Gedanken, einen Fanfarenzug mit uns Kindern zu gründen. Woher er die erforderlichen Instrumente be-
schaffte, blieb sein Geheimnis. Es wurde fleißig geprobt, Interessenten gab es genug. Leider ist aus der ganzen Sachen aus nicht
mehr bekannten Gründen nichts geworden. Zwischen Schule und Kinderheim, den Kindern beider Einrichtungen sowie den Lehrern
und Erziehern gab es eine intensive Zusammenarbeit.
1952 begannen die Vorhaben, in Oßling eine Zentralschule zu schaffen, Realität zu werden. Der erste Schritt war die Verlagerung
der Klassen 5 bis 8. Unter den Eltern der betroffenen Schüler gab es großen Widerstand, der sich natürlich bei den Schülern fort-
setzte. Erst als ab Mitte September 1952 ein Schulbus eingesetzt wurde, glätteten sich die Wogen. In Weißig blieben die Klassen
1 bis 4 samt den dazugehörigen Lehrern. Frau Margarete Skiba wurde Schulleiterin in Weißig, Helmut Ulbrich Schulleiter in Oßling.
Hier in Oßling waren wir, als achtes Schuljahr, zwar auch noch 31 Schüler in einer Klasse, aber wir hatten einen eigenen Klassen-
raum mit weitaus besseren Lernbedingungen.
Nachsatz: Leider gibt es (bisher) keine Archivunterlagen zur Weißiger Schule, so dass ich mich auf die unten genannten Quellen
beziehen musste.
Manfred Prescher Dresden, Februar 2012
Quellen:
- Hauptstaatsarchiv Dresden
- Kreisarchiv Kamenz
- Protokolle der Gemeinde Weißig
- Aufzeichnungen Ernst Prescher, Bad Muskau
- Gespräch mit Helmut Schimank (+), Weißig
- Informationen von Elfriede Pollack und Siegmar Kubin, Weißig
- eigene Erlebnisse, Aufzeichnungen und Bilder